IMC – India meets Classic presents …

… radio shows for Indian (Music) Culture

Berlin: Ein Ventil für den Schmerz schaffen

Posted by ElJay Arem (IMC OnAir) on January 20, 2012

(dapd/Berlin -20.01.2012) Tag für Tag das Pochen unter der Hirnschale, dieser dumpfe Schmerz, der alles andere beiseite schiebt: Chronische Kopfschmerzen zählen zu den zehn häufigsten Erkrankungen weltweit. Wer sie bisher vergeblich mit Medikamenten, mit Physiotherapie, Psychotherapie, Homöopathie und anderen Maßnahmen zu bekämpfen versuchte, zieht sich immer mehr zurück. Der Schmerz wird zu seinem Lebensmittelpunkt. Dabei kann die Musiktherapie helfen, jenen Teufelskreis zu durchbrechen, der immer tiefer in die soziale Isolation führt.

Die Zauberwelt der Klänge und Harmonien ist zwar nicht in der Lage, die neurochemischen Fehlprozesse im Gehirn zu beeinflussen. Im Zusammenspiel mit medizinischer Schmerztherapie kann die Musik aber sehr wohl aber auf die Gefühlswelt der Betroffenen einwirken und in tiefere Schichten des Bewusstseins dringen, zu denen die Sprache keinen Zugang hat.

“Chronische Kopfschmerzen sind in den seltensten Fällen eine rein körperliche Erkrankung”, erklärt der Wissenschaftliche Mitarbeiter der SRH Hochschule Heidelberg, Julian Koenig. “Zumeist werden sie durch viele psychische und soziale Faktoren bedingt. Und genau hier setzt die Musiktherapie an.”

Bei vielen Patienten, die unter chronischen Kopfschmerzen leiden, sei eine gewisse Erstarrung festzustellen, die sich in allen Lebensbereichen zeige. Die Heidelberger Forscher sprechen von der “gehemmten Expressivität von Emotionen bei Schmerzpatienten”.

Wie man dieser Erstarrung gezielt mit Musik begegnet, schildert der Experte am Beispiel einer 14-jährigen Patientin. Sie hatte starke Auseinandersetzungen mit ihrer Mutter zu bestehen. Dieser Konflikt wurde während der Therapie im musikalischen Rollenspiel ausgetragen. Das Mädchen spielte auf einer kleinen Trommel, der Therapeut vertrat ihre Mutter auf dem Klavier. Durch das improvisierte Spiel wurde das Kind angeregt, die Opferrolle aufzugeben, aktiv zu werden und die angestauten Emotionen auf das Instrument projizieren. So erfuhr es spielerisch, was denn geschehen könnte, wenn es einmal laut würde gegenüber der Mutter.

“Dieser expressive Ausdruck auf der Trommel und das Erleben, das macht ja den Schmerz nicht schlimmer, im Gegenteil, ich kann sogar Freude empfinden, wenn ich mich auf dem Instrument mal so richtig austobe, das alles kann eine positive Erfahrung für Kinder sein”, erläutert Koenig. Der Therapeut schaffe eine Möglichkeit, dem Schmerz einen Weg nach draußen zu bahnen, die Musik wirke wie ein Ventil.

Gerade bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen würden die Eltern mit in die Therapie einbezogen, betont er. Musiktherapie bedeute ja nicht, eine ganze Stunde lang nur Musik zu machen. Da werde auch viel miteinander gesprochen. Bei jugendlichen Patienten sei es häufig so, dass deren Kopfschmerzen mit bedingt seien durch eine Leistungserwartung, die ihre Eltern an sie stellten.

“Die Kinder haben meistens Ganztagsschule, nachmittags noch Sportangebote und dann engagieren sie sich noch freiwillig. Sie sind stark eingespannt, was auch viele familiäre Konflikte verursacht. Und diese Konflikte können wir musikalisch aufgreifen. Unsere Patienten brauchen eine effektive Form der Therapie, die ihnen auch Spaß macht”, sagt der Mitarbeiter der Fakultät für Therapiewissenschaften.

Die Musiktherapie kennt neben der aktiven Form auch die rezeptive, das Musikhören zur Entspannung. Verbunden mit unterstützenden Übungen könne dies dazu beitragen, den Stresszustand zu mindern, in dem sich die Kopfschmerzpatienten fast immer befänden. Schmerz könne ja rein biologisch auch als Warnsignal interpretiert werden, erklärt Koenig. Das permanente Erleben dieses Signals versetze jedoch die Betroffenen ständig in einen erhöhten Erregungszustand, der abgebaut werden müsse.

Entspannungsmusik sei nicht an einen bestimmten Komponisten oder Interpreten gebunden. Bevorzugt würden einfache Harmonien, die zum Abschalten, zum Abschweifen und Träumen geeignet seien.

Die Wurzeln der Musiktherapie gehen laut Koenig auf Zeiten vor der Antike zurück. “Wir finden in der Bibel schon Zitate, wo König Saul schwer erkrankt war und dann durch Harfenspiel zur Genesung geführt wurde, und in der Antike und römischen Tradition findet man viel Musik in der therapeutischen Anwendung in Kombination mit Bädern. Natürlich hat die Musiktherapie von heute ein ganz anderes Selbst- und Wirkungsverständnis als die Musiktherapie in der Historie.

An der SRH Hochschule werden bereits seit vielen Jahren gemeinsam mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie Heidelberg sowie dem Deutschen Institut für angewandte Therapieforschung (DIAT e.V.) Konzepte zur Heilung chronischer Kopfschmerzen und Migräne erprobt. Die bisherigen Studienergebnisse zeigen, dass sich die Kopfschmerzen bei Patienten, die zusätzlich zur medizinische Schmerztherapie eine Musiktherapie erhielten, deutlich verringern ließen. Besondere Erfolge wurden bei Kindern mit Migräne erzielt.

Derzeit wurde ein Forschungsprojekt mit Jugendlichen im Alter von zwölf bis 17 Jahren abgeschlossen, die über chronische primäre Kopfschmerzen, sowohl Migräne als auch Spannungskopfschmerzen klagten. Die Ergebnisse sollen Mitte des Jahres publiziert werden.

(Quelle: 20.01.2012 – dapd | nt – Science – Ernährung + Gesundheit | www.net-tribune.de)

Leave a Reply

Fill in your details below or click an icon to log in:

WordPress.com Logo

You are commenting using your WordPress.com account. Log Out /  Change )

Twitter picture

You are commenting using your Twitter account. Log Out /  Change )

Facebook photo

You are commenting using your Facebook account. Log Out /  Change )

Connecting to %s

 
%d bloggers like this: