Musiktherapie
Heilen durch Klänge
VON KATLEN TRAUTMANN, 02.01.12, 17:43h, aktualisiert 02.01.12, 19:00h

Trommeln als Therapie: Rhythmische Übungen können helfen, Patienten zu neuem Schwung zu verhelfen. (FOTO: ZB)
DUR ODER MOLL. Dur oder Moll – in der Sprache der Musik steht das für Glück oder Trauer. In ihr lässt sich manchmal ausdrücken, wofür einem die Worte fehlen. Während Ärzte Pillen verschreiben und Psychologen Gespräche führen, versuchen Musiktherapeuten daher, mit Rhythmen und Harmonien zu heilen.
“Die Aufgabe des Musiktherapeuten ist es, Zugang zu Menschen zu finden und therapeutisch zu nutzen, auch in Fällen, wo das anders nicht mehr möglich wäre”, sagt Dorothee von Moreau, Leiterin der Lehrambulanz für Musiktherapie an der SRH Hochschule Heidelberg. “Musik bringt Dinge ins Bewusstsein, die mitunter anders nicht mehr zu erleben wären”, ergänzt Lutz Neugebauer vom Vorstand der Deutschen Musiktherapeutische Gesellschaft.
Musiktherapeuten arbeiten mit der Grundmusikalität, die jeder Mensch in sich trägt. Zum einen machen sie für ihre Patienten Musik. Dabei versuchen sie, auf den Hörer einzugehen, indem sie beispielsweise auf seinen Atemrhythmus achten. “Das Einlegen einer munteren CD genügt hier nicht”, erklärt Neugebauer. Er arbeitet seit mehr als 25 Jahren musiktherapeutisch.
Bei der aktiven Therapieform improvisieren Patienten auf Instrumenten wie der Gitarre, dem Xylofon oder dem Klavier. Oder sie singen. Auf diese Weise können sie mitunter Gefühle und Gedanken äußern, für die sie keine Worte finden. “Der Therapeut sollte hören können, was der Patient nicht in Worte zu kleiden vermag”, sagt Dorothee von Moreau. Das heißt nicht, dass einem durch Musik gleich leicht und froh zumute wird. In der Therapie haben schrille Töne ebenfalls einen Platz. “Auch die dunklen Seiten kommen zum Klingen.”
Musiktherapeuten betreuen ihre Patienten einzeln oder in Gruppen. Dazu gehören psychisch Kranke sowie Menschen, die im Sterben oder im Koma liegen. Ihr Einsatzgebiet umfasst Süchte, Verhaltensstörungen, neurologische Krankheiten wie Parkinson und chronische Schmerzen.
Bei Geh- und Sprachstörungen gilt die Heilkraft der Musik als wissenschaftlich belegt.
Die Idee heilender Musik reicht weit zurück. Im Alten Testament erlöst David durch sein Harfenspiel König Saul von dessen Plagen. Solche Klänge heilen aber keineswegs automatisch. “Laien fragen mitunter: Meine Oma hat einen Schlaganfall. Welche Platte soll ich auflegen?”, erzählt Lutz Neugebauer. Das funktioniere nicht, weil Menschen Musik unterschiedlich empfinden. “Was den einen erfreut, erinnert den anderen an traumatische Erlebnisse.” Als sicher gilt aber, dass Musik verschiedene Hirnareale zusammenarbeiten lässt. “Es gibt etwas, das nur in der Musik stattfindet.”
(Quelle: 02.01.12, 17:43h | Mitteldeutsche Zeitung – Lokales | mz-web.de)